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Kluge Köpfe im TITK: Dr. Tobias Biletzki

Der 37-jährige Jenaer will mithelfen, negative Umweltauswirkungen der chemischen Industrie zu reduzieren. Die Chemie soll sauberer und grüner werden, sagt er und forscht daran, wie sich Kunststoff-Abfälle bestmöglich verwerten lassen. Oder ob Carbonfasern sogar Abwasser reinigen könnten.

Montagnachmittag, 15.30 Uhr, in der Rudolstädter Breitscheidstraße. Im ersten Stock des Thüringischen Instituts für Textil- und Kunststoff-Forschung sitzt Tobias Biletzki in seinem Büro und grübelt. Er macht dabei immer diese typische Geste, wenn er ein Problem zu lösen versucht. Daumen und Zeigefinger kneifen und zupfen den Bartansatz am Hals. An den großen, leicht geöffneten Fenstern des Industriebaus aus den 1950er Jahren sitzend, fixiert er seinen PC-Monitor, auf dem ein wissenschaftlicher Text und eine komplizierte Formel erkennbar sind. Wenig später wirft er den weißen Kittel über und geht noch mal hinunter ins Labor, um etwas auszuprobieren.

Forschen können, testen können - auch auf die Gefahr, dass mal etwas schief geht. Diese Möglichkeiten an einem wirtschaftsnahen Forschungsinstitut haben ihn schon immer fasziniert. Am 1. Mai 2014 trat der Diplom-Chemiker und damals noch frisch gebackene Doktor der Naturwissenschaften seine Stelle im TITK an. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter der Abteilung Textil- und Werkstoff-Forschung. Bereut, sagt Biletzki, habe er diese Entscheidung noch nie. „Ich wollte immer in die Chemie, um sie grüner und sauberer zu machen.“

Neues Katalyseverfahren auf dem „grünen Weg“

So suchte er schon im Rahmen seiner Doktorarbeit nach einem neuen Katalyseverfahren zur Herstellung von Grundbausteinen von Psychopharmaka, die gegen das Alzheimer-Syndrom, aber auch gegen Krebs und andere Krankheitsbilder helfen könnten. „Dieser einfachere Weg zur Herstellung der Grundbausteine sollte unter ‚grünen Vorzeichen‘ beschritten werden“, wie Biletzki betont. Mit einem Stipendium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgestattet, nahm er sich vor, organische Lösungsmittel gegen umweltfreundlichere auszutauschen und darüber hinaus weitere Prozessschritte zu optimieren.

Heute, nach sieben Jahren am TITK in Rudolstadt, spürt er in seinen Forschungsprojekten der Frage nach, wie man mit Kunststoffen - ob biologischen oder künstlichen Ursprungs - nach ihrem Produktlebenszyklus noch sinnvoller umgehen kann. „Man steckt ja eine Menge Energie hinein, um diese Stoffe zu erzeugen. Da wäre es doch schade, wenn sie diese Energie nicht irgendwann zurückgeben könnten.“ In seinem ersten Projekt am TITK wurde ein Verfahren entwickelt, um Abfälle aus biologisch abbaubaren Kunststoffen in Biogasanlagen energetisch verwerten zu können. So lässt sich aus dem Methangas Strom und Wärme erzeugen. „Dies hat einen viel höheren Kosten-Nutzen-Faktor als die reine Verbrennung“, erläutert der Chemiker.

Carbonfaser als Material für die Abwasserreinigung

Carbonfaserverstärkte  Kunststoffe - vorrangig für Leichtbauanwendungen in der Luftfahrtindustrie und im Automobilsektor - sind  seit mehr als zehn Jahren ein Forschungsschwerpunkt am TITK. Dr. Biletzki schwärmt von einem völlig neuen Einsatzgebiet: der Abwasserreinigung. „Man hat es ja bereits geschafft, die fast perfekte Carbonfaser zu konstruieren“, sagt er. „Auf dem bisherigen Weg wurden viele alternative Quellen für die Erzeugung von Carbonfasern wegen des Auftretens von Fehlstellen nicht weiter erforscht. Gleiches gilt für viele andere Fasern mit schlechteren mechanischen Eigenschaften. Aufgrund ihrer vielen Fehlstellen haben diese Fasern aber den Charme, dass sie eventuell in der Abwasserreinigung als Alternative zur Aktivkohle eingesetzt werden können.“

Die drei bestehenden Reinigungsstufen in der Abwassertechnik - mechanische Reinigung, chemische Reinigung und biologische Reinigung - werden in naher Zukunft nicht mehr ausreichen, ist Biletzki überzeugt. Denn immer mehr Schadstoffe sammeln sich im Abwasser, noch dazu in immer  höherer Konzentration. Fazit für ihn: Eine vierte, Reinigungsstufe wird kommen müssen. „Hierfür würde ich gern Filtermaterialien aus Carbonfasern oder aber auch alternativen Rohstoffquellen herstellen, um genau diese Fehlstellen im Material auszunutzen. Daran können sich Schadstoffe gut anlagern.“

In zwei Forschungsprojekten geht Biletzki aktuell seiner Theorie nach. Das eingesetzte Material ist hierbei zweierlei Ursprungs: Zum einen  kommen Carbonfasern aus der konventionellen Produktion zur Anwendung oder auch Carbonfasern basierend auf nachwachsenden Rohstoffen (wie zum Beispiel Cellulose). Zum anderen soll biobasiertes Material als Basis für die Abwasseraufbereitung dienen.

Das biobasierte Carbonmaterial soll in ein noch zu entwickelndes Filtermodul eingebracht werden, das dann in der Kläranlage seinen Dienst verrichtet. Kirschkerne, Erdnussschalen und vieles mehr, was bisher als Abfall entsorgt werden musste, könnte mittels Pyrolyse und Carbonisierung in das entsprechende aktive Carbonmaterial umgewandelt werden. „Damit haben wir nachwachsende Rohstoffe als Basis und noch dazu einen möglichen Weg hin zur vierten Reinigungsstufe.“

Beinahe als Pfleger in Schottland gestrandet

Woher seine Faszination für die Chemie kommt? Wie so oft gab auch hier der Fachlehrer in der Schule den entscheidenden Impuls. Später wäre Tobias Biletzki beinahe Pfleger in Schottland geworden, weil er im Zivildienst dort als Betreuer behinderter Kinder seine Erfüllung fand. Dann aber doch noch mal neu entschied, um sich nicht zu früh auf eine Lebensperspektive festzulegen. „Probierst du erstmal Chemie“, sagte er sich, „das andere kannst du dann später immer noch machen.“

Rückblickend war das die logische Konsequenz, weil er aufgrund seiner Vorkenntnisse und Vorlieben mit geringem Aufwand alle Ziele im Chemie-Studium erreichen konnte. Die Friedrich-Schiller-Uni in Jena sei es geworden, weil das damals deutschlandweit die beste Uni für Chemie gewesen sei. „Und ich möchte behaupten, dass sie das immer noch ist“, sagt Biletzki.

In seiner Freizeit spielt der Jenaer Basketball und Fußball, liest sehr gern, vor allem Stephen King. Und ist ein ausgemachter Martin-Luther-King-Fan, der nach dem Motto aus dessen berühmter Rede von 1963 („I have a dream“) lebt. Denn wenn man etwas wirklich will, darf man nicht nachlassen und sein Ziel nie aus den Augen verlieren.

Als Teenie mit Berliner Bezirksbürgermeister verhandelt

Mit 14 nahm Tobias Biletzki dies zum ersten Mal wörtlich. In Erfurt geboren und in Berlin aufgewachsen, wollte er als Teenie in der Hauptstadt gern allein zu einem Konzert der „Toten Hosen“ gehen. Seine Eltern waren alles andere als begeistert. „Wenn du den Bürgermeister fragst und der dir das O.K. gibt, dann darfst du dort hin“, sagte ihm seine Mutter damals. Tobias Biletzki zögerte nicht lange und nahm den Hörer in die Hand. Und bekam grünes Licht vom Bezirksbürgermeister von Pankow. Mit einer einzigen Einschränkung: „Vor 22 Uhr musst du aber nach Hause gehen.“

Um diese Zeit sitzt Biletzki heute oft mit einem sehr guten Freund in Jena beim Bier, um sich Gedanken über neue Projektideen zu machen. Dabei wird gern über mögliche Innovationen oder individuelle Problemstellungen philosophiert. Dann recherchiert man gemeinsam den Stand der Technik und überlegt sich, wie man hier vielleicht noch einen drauf setzen könnte. Weiter getrieben werden diese Ideen dann im Berufsalltag am TITK in Rudolstadt. „Das spannende Miteinander unter den Kollegen in einer wirtschaftsnahen Forschungseinrichtung und die Zusammenarbeit mit Industriekunden ergibt hier für mich die perfekte Mischung“, schwärmt Biletzki von seiner Arbeitsstelle. „Wenn ich vorher gewusst hätte, dass es so etwas gibt, hätte ich genau das hier gewollt.“

Autor: Steffen Beikirch, TITK

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Typische Geste: Dr. Tobias Biletzki in seinem Büro am Computer. (Bildrechte: TITK / Steffen Beikirch)
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Carbonfaserverstärkte Kunststoffe - vorrangig für Leichtbauanwendungen in der Luftfahrtindustrie und im Automobilsektor - sind seit mehr als zehn Jahren ein Forschungsschwerpunkt am TITK. Hier Dr. Tobias Biletzki mit seinem Abteilungsleiter Dr. Thomas Reußmann (rechts). (Bildrechte: TITK / André Kranert)
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Der Jenaer ist ein Kultur- und Sport-Fan, trifft sich gern mit Freunden. (Bildrechte: privat)